Lucia: Die professionelle Haltung der pädagogischen Fachkräfte hat mich beeindruckt

von Nico Witt

Hallo,

ich bin Lucía und arbeite als Erzieherin im 3. berufsbegleitende Ausbildungsjahr in der Kita „Singemäuse“. Im Dezember 2019 habe ich ein Praktikum in der stationären Jugendhilfe absolviert. Hier ist mein Erfahrungsbericht:

Praktikum als Erzieherin im Betreuten Einzelwohnen (BEW)
Innerhalb meiner Ausbildung bin ich verpflichtet, in der Tätigkeit als Erzieherin in einem anderen Berufsfeld Erfahrungen zu sammeln. Mein Interesse galt dem Bereich Hilfen zur Erziehung und ich wollte im Rahmen meines Zwei-Wochen-Praktikums in diesem Arbeitsfeld hospitieren.

Ein Praktikum für „nur“ zwei Wochen ist in diesem Bereich der Hilfen zur Erziehung eher untypisch. Die jungen Menschen, die im Rahmen des BEW sozialpädagogisch Beraten werden, befinden sich in besonderen Lebenslagen. Dies gilt es immer zu beachten. Die Fachkräfte des BEW-Teams haben sich vor Beginn meines Praktikums die Zustimmung von den jungen Menschen geholt. Neben dieser Voraussetzung ist zwingend ein erweitertes Führungszeugnis notwendig. Mein Beschäftigungsverhältnis in einer Kita der INDEPENDENT LIVING Stiftung, mein Bewerbungsanschreiben und mein tabellarischer Lebenslauf haben geholfen, das Team und die jungen Menschen vom Sinn meines Praktikums zu überzeugen.

Viele Fragen (m)ein Lernprozess
Innerhalb des zweiwöchigen Praktikums im Rahmen der Arbeit mit jugendlichen Menschen (Betreutes Einzelwohnen) habe ich einen Lernprozess erlebt, der mich vor neue Herausforderungen gestellt hat. Und mein Verlangen geweckt hat, mehr zu erfahren.

Am Anfang beschäftigten mich viele Fragen:
Wie sind die jungen Menschen? Wie gestaltet sich die Arbeit? Welche Art von Arbeit wird mit ihnen gemacht? Wie ist die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt? Wie sieht der Alltag aus? Wie finanziert sich das alles? Was ist die Aufgabe eines Beraters / einer Beraterin? Welche Qualifikationen sind für diese Tätigkeit erforderlich? Welche Kompetenzen und Qualitäten haben die Fachkräfte? Wie sind die Beziehungen zwischen Berater*innen und Jugendlichen? Welche Möglichkeiten zur Partizipation haben die jungen Menschen? Welche Hindernisse tauchen auf?

Und auch Fragen an mich selbst:
Werde ich es schaffen? Wie werde ich mich in einem neuen Team fühlen? Wie werde ich mich überhaupt fühlen? Werde ich in der Lage sein, adäquat mit den Emotionen umzugehen? Mit denen der Jugendlichen und mit meinen eigenen? Werde ich es mögen? Wird es etwas für mich sein?

Mein erster Tag
Gleich am ersten Tag haben die Berater*innen mir die Möglichkeit gegeben, an allem teilzunehmen: Beratungsgespräche, biographische Arbeit (Genogramm), Ressourcen-Karten, Wohnungsbesuch u.v.m. Außerdem gewann ich einen Einblick in Finanzierungsmodelle, und Berichte für die Überprüfung der Hilfe in sogenannten Hilfekonferenzen.

Ich war Teil eines Teams von Berater*innen, das mich unterstützt und begleitet hat.
Die pädagogischen Fachkräfte arbeiten in der Regel in Zweierteams, also nach dem 4-Augen-Prinzip.

Eine der besten Arten zu lernen ist für mich die Beobachtung und der stete Austausch.
Ich war nicht nur Beobachterin, sondern hatte auch die Gelegenheit, Ideen, Wahrnehmungen und Meinungen zu äußern und mich mitzuteilen. Es war enorm bereichernd.

Systemische Beratung als Methode und Beratungsansatz
Die Arbeit der Systemischen Beratung hat mir eine Ahnung gegeben, was möglich ist, wenn den jugendlichen Menschen Vertrauen entgegengebracht wird, wenn man ihnen Zeit und Raum lässt. Aktives Zuhören, eine respektvolle, wertfreie Einstellung und die Fähigkeit, Macht und Kontrolle abgeben zu können, nahm ich als wichtige Faktoren wahr. Kooperation ist der Schlüssel und die Basis für ein ressourcenorientiertes Arbeiten mit den Jugendlichen.

Die professionelle Haltung der pädagogischen Fachkräfte hat mich beeindruckt
Die Menschlichkeit und die professionelle Haltung der Berater*innen haben mich besonders beeindruckt. Jede*r Mitarbeiter*in zeigt Tag für Tag seine Qualitäten, in jeder Situation. Mit Empathie und Wertschätzung und Authentizität, sodass die jungen Menschen eine echte Beziehung aufbauen können. Respekt, Vertrauen, Einfühlungsvermögen und Flexibilität, Akzeptanz, Gelassenheit, Dialogbereitschaft, Wertfreiheit, Ressourcen und Motivation: Dies sind nicht mehr nur „Worthülsen“, sondern in diesen 2 Wochen reale, weil erlebte Fähigkeiten und Werte.
Meine Erfahrungen dort werden meine weitere Arbeit beeinflussen. Nicht nur im Umgang mit den Kindern, sondern auch im Austausch mit den Eltern und im Team. Auf jeden Fall ist mein Wille geweckt, mich in diesem Bereich weiterzubilden.

Mein Fazit: aus Zweifel wurden neue Perspektiven
Vor Beginn des Praktikums hatte ich ernsthafte Zweifel. Der Mangel an Informationen und Zeit für Recherche hatte bei mir zu Unbehagen und Unsicherheiten geführt. Auf persönlicher Ebene habe ich festgestellt, dass viele der Fragen, die ich hatte, von Unwissenheit herrührten.

Während der 2 Wochen fühlte ich mich sicher in meinem Auftreten und Handeln, auch das Team vermittelte mir Wertschätzung. Es fühlte sich richtig und gut an, an diesem Ort. Momentan betrachte ich viele Situationen und Umstände im regulären Arbeitsalltag objektiver und umfassender.

Aus dieser Zeit kann ich eine Fülle an Erfahrungen, Ideen und Methoden mitnehmen, und ich komme zu dem Schluss, dass es sich nicht nur gelohnt hat, sondern dass das Praktikum mehr als wert- und sinnvoll war. Mit vielen Möglichkeiten für neue Perspektiven für die Zukunft.

Meine Hinweise für die Ausbildungsinhalte zur Erzieher*in
Während der gesamten Ausbildung konzentrieren wir uns auf einen Bereich, der insbesondere der frühen Kindheit gewidmet ist. Viele Aspekte der Berufs- und Karrieremöglichkeiten bleiben unberücksichtigt, da Prioritäten gesetzt werden müssen.
Allerdings fände ich einen erweiterten Fokus auf andere pädagogische Arbeitsbereiche (z.B. Jugendarbeit) sehr bereichernd.
Auch eine intensivere und praxisnahe Ausbildung in Kommunikationsmethoden sowie eine Ausarbeitung der Grundhaltung in der Pädagogik anhand praxisnaher Fälle wäre etwas sehr Positives.

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